Die kranke Prinzessin




eine Geschichte von Saron

„Plitsch.., Platsch...“, es hörte sich lustig an, wenn die kleinen Steine auf den See trafen und dann untergingen. „Plitsch..., Platsch...“ Aber eigentlich sollten sie gar nicht untergehen, sondern auf den Seerosenblättern liegen bleiben und auf gar keinen Fall von ihnen herunter ins Wasser rutschen. Denn das war die Regel des Spiels, das sich die Prinzessin für heute ausgedacht hatte. Sie wollte es schaffen, sieben kleine Kieselsteine vom Ufer aus auf die Seerosenblätter zu werfen, aber das war gar nicht so einfach, denn die Seerosenblätter waren nicht groß, recht glatt und ziemlich weit draußen auf dem See. Noch dazu wurden sie von den sanften Wellen des Wassers geschaukelt und so waren erst fünf Steine auf ihnen sicher gelandet.
Aber eine Prinzessin gibt nicht auf, dachte sie und „Plitsch..., Platsch...“, das Spiel ging weiter. Sie hustete ein wenig und seit drei Tagen hatte sie Schnupfen. Aber im Schloss zu bleiben machte ja auch keinen Spaß. Irgendwie musste sie sich doch die Zeit vertreiben, denn ihr Vater, der König, war in Xalamantika, um mit dem dortigen König einen Vertrag zu schließen, damit er durch besseren Handel noch mehr Geld verdienen konnte, und ihre Mutter, die Königin, hatte zu ihr gesagt: „Schade mein liebes Kind, dass ich dich schon wieder alleine lassen muss, aber ich werde dringend in Syraya gebraucht, dort wird eine wichtige Bibliothek eröffnet, für die unser Königreich Geld gespendet hat. Pass gut auf dich auf, tue stets, was die Dienstboten dir auftragen und in ein paar Wochen bin ich schon wieder zurück.“
Was eine Bibliothek ist, wusste die Prinzessin nicht so genau, aber dass ein paar Wochen ziemlich lang sein können, wenn man auf seine Mama wartet, das wusste sie schon. Und die Zeit vergeht auch nicht schneller, wenn man sich mehrmals am Tag schöne Kleider anzieht und Kronen aufsetzt, wie manche Prinzessinnen zu tun pflegen.

Und so war sie heute nun wieder einmal zum See hinaus gegangen und „Plitsch..., Platsch...“ das Spiel ging weiter. Plötzlich lagen dann sieben kleine Kieselsteine auf den Seerosenblättern. Sie hatte es geschafft, ihr selbst ausgedachtes Spiel zu gewinnen!
Voller Stolz lief sie zum Schloss zurück, denn die Sonne zeigte ihr, dass die Zeit vorangeschritten war, und sie wollte die Köchin nicht mit dem Mittagessen warten lassen. Aber was war das?
Im Torbogen des Schlosses angekommen, wurde ihr plötzlich ganz schwindelig. Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich am großen Griff der sich knarzend öffnenden Schlosstür festhalten, dann wurde ihr schwarz vor Augen und sie sank zu Boden.
Als sie ihre Augen wieder öffnete, lag sie in ihrem Bett. Ihr war, als hätte sie tief geschlafen und würde jetzt gerade aufwachen.
Ihre Wangen glühten. Die Zimmertür öffnete sich und Anna, die älteste der Mägde, die schon das eine und andere Mal mit ihr gespielt hatte, trat herein und fragte: „Nun meine Prinzessin, hast du gut geschlafen?“

„Was ist mit mir geschehen?“, fragte die Prinzessin noch immer etwas verwirrt.
„Wir fanden dich ganz erschöpft im Tor, haben dich in dein Zimmer getragen und ins Bett gelegt. Und da liegst du nun immer noch und bleibst auch ein paar Tage dort, denn du bist krank!“, meinte Anna und strich die Bettdecke glatt.

Krank, wieso bin ich krank?“, fragte die Prinzessin ungläubig.
„Du hast Fieber und nun schau dich mal genau an!“, lachte Anna und reichte ihr einen Spiegel.
Oh weh, was musste die arme Prinzessin da sehen: ihr Gesicht war von kleinen und größeren roten Pünktchen bedeckt. Sie schaute an sich hinunter, ihre Arme und Beine, ja ihr ganzer Körper war von ihnen übersät. Aber das waren keine Mückenstiche, nein, sie waren viel kleiner und die Prinzessin fand sie hässlich und fragte erschrocken: „Sag´ Anna, was habe ich für eine schlimme Krankheit und gehen die Punkte wieder weg? Du musst schnell einen Arzt aus dem Dorfe holen, ich brauche dringend Medizin, damit diese blöden Pickeln wieder verschwinden!“
„Du hast die Masern, meine Liebe, und die Mühe, mit der Kutsche ins Dorf zu fahren und den armen Doktor hierher zu bemühen, können wir uns sparen.“, lachte Anna. „Viele Krankheiten heilen auch ganz ohne Medizin. Also, ich passe gut auf dich auf, wir schauen, ob du noch Ohren- oder andere Schmerzen bekommst. Wenn nicht, wirst du sehen, in zwei Wochen ist alles vorbei!“, meinte sie und stellte einen Krug Fruchtsaft und einen anderen mit Lindenblütentee und Honig auf den Nachttisch.
„Nur wenn es schlimmer wird, werden wir einen Arzt holen.“
„Und die hässlichen roten Punkte, was ist mit denen?“, fragte die Prinzessin ängstlich. „Auch die verschwinden wieder ganz von allein!“, versprach Anna.

Tatsächlich, auch ohne Medizin und Doktor ging es der Prinzessin jeden Tag ein bisschen besser. Das Fieber sank, sie trank viel und blieb brav im Bett liegen, Anna las ihr dann und wann eine Geschichte vor und die Magd, die so schön Laute spielen konnte, sang ganz fröhliche Lieder mit ihr. Der Knecht brachte ihr ein wenig weiches Stroh zum Flechten und so wurde ihr nie langweilig. Sie wurde mit gutem Essen, gesundem Spinat, Karotten und Kürbis verwöhnt und bald konnte sie wieder aufstehen und im Schlosshof mit Murmeln spielen und den Gräsern vor dem Schloss Feengeschichten erzählen.

Als dann eines Tages eine Kutsche durch das Tor kam und ihre Mutter, die Königin, herausstieg, fiel sie ihr um den Hals und rief: „Mama, stell dir vor, ich war krank und bin von ganz alleine, ohne Doktor oder Medizin wieder gesund geworden!“
Da freute sich ihre Mutter sehr und sie gingen ins Schloss, wo die Prinzessin ihr alles ganz genau erzählte und ihre Arme und das Gesicht zeigte.
Kein rotes Pünktchen war mehr zu sehen, ihre Haut war wieder weiß wie Schnee.


©P.Eitner, Bild: KI