Römer 1 – Evangelium als Gottes Kraft

Zusammenfassung

Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom als berufener Apostel Jesu Christi. Sein Thema ist das Evangelium Gottes, vorab verheißen in den Schriften, erfüllt in Jesus Christus, dem Sohn Davids nach dem Fleisch und als Sohn Gottes in Kraft bestimmt durch die Auferstehung. Ziel seiner Sendung ist Glaubensgehorsam unter allen Völkern – auch die römischen Christinnen und Christen sind dazu berufen. Der Leitvers des Kapitels lautet: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht; es ist Gottes Kraft zum Heil für jeden, der glaubt“ (Röm 1,16–17). Danach zeichnet Paulus die Spirale der Gottesferne: Menschen erkennen Gottes Wirklichkeit in der Schöpfung, unterdrücken diese Wahrheit aber, vertauschen Gottes Herrlichkeit mit Bildern und Ideologien, bis hin zu zerstörerischen Haltungen und Verhaltensweisen. Drei Mal heißt es: „Gott hat sie dahingegeben“ – Gericht zeigt sich zunächst als Konsequenz falscher Anbetung. Zugleich bleibt der Rettungsweg offen: Gottes Gerechtigkeit wird geoffenbart aus Glauben zum Glauben.

Theologische Interpretation

Römer 1 verbindet zwei Offenbarungen: die Offenbarung der rettenden Gerechtigkeit Gottes im Evangelium und die Offenbarung des Zorns Gottes über die Wahrheitssuppression. Gerechtigkeit ist hier nicht primär ein moralischer Maßstab, sondern Gottes treues Heilshandeln, das den Sünder rechtfertigt. Der „Gerechte“ ist der Begnadigte, der lebt, weil er vertraut. Der Zorn wiederum ist kein launisches Temperament, sondern Gottes heilige Reaktion auf die Zerstörung seiner guten Ordnung. Götzendienst wird als Wurzel benannt: Wer das Geschöpf zum Gott macht – sei es Macht, Lust, Leistung oder Nation –, wird dem Objekt seiner Anbetung ähnlich: hart, fordernd, unbarmherzig. Paulus’ Sendungsbewusstsein („ich bin Schuldner“, V. 14) zeigt, dass Evangelisation kein Kulturkampf, sondern Liebesschuld ist. Die Gemeinde in Rom steht exemplarisch für eine missionarische Minderheit im Zentrum einer Weltmacht – getragen von Gottes Kraft, nicht von Privilegien.

Aktualisierung mit NT-Bezug

„Ich schäme mich des Evangeliums nicht“ – dieser Satz widerspricht der Versuchung, Glauben zur reinen Privatsache zu machen. Das Neue Testament bestätigt diese Gegenkultur: 1. Kor 1,18–25 nennt die Botschaft vom Kreuz „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ gegen die Logik von Prestige und Performanz. Gal 1,6–10 warnt vor „anderen Evangelien“, die Christus beiseiteschieben. Heute sind die Götzen subtil: die Selbstoptimierung als Heilsweg, die politische Identität als letzte Loyalität, der Körperkult als Sinnstifter, die Technik als Erlöser. Römer 1 entlarvt diese Ersatzgötter – nicht, um Menschen zu beschämen, sondern um sie heimzuführen. Christliche Praxis bedeutet deshalb: Anbetung des Schöpfers (Gottesdienst), Dank statt Anspruch (Ethos), Barmherzigkeit statt Zynismus (Diakonie) und Klarheit über Wahrheit und Liebe (Lehre). In Phil 2 lädt Christus zur Selbstentäußerung; in Röm 12 wird Alltagsglaube als „vernünftiger Gottesdienst“ beschrieben. So wird der Montag zum Ort der Mission: durch Wahrhaftigkeit in Gesprächen, Integrität im Beruf, Treue in Beziehungen, Fürbitte für die Stadt.

Fazit

Römer 1 eröffnet die große Bewegung des Briefes: Gottes Gerechtigkeit rettet; Gottes Wahrheit richtet gerade. Wer Gott ehrt, findet Ordnung und Freiheit; wer Gott verdrängt, verliert beides. Doch der Weg zurück ist offen – durch Christus, der uns nicht beschämt, sondern trägt. Aphorismus: „Wen du anbetest, dem wirst du ähnlich; darum bete den an, der dich liebt und befreit.“

Studienfragen

  1. Welche Elemente umfasst „das Evangelium Gottes“ (V. 1–6), und warum verbindet Paulus Davids Sohnschaft mit der Auferstehung?
  2. Wie verstehen Sie „Glaubensgehorsam“ im persönlichen Leben, in der Gemeinde und im öffentlichen Raum?
  3. Wo beobachten Sie heute die „Unterdrückung der Wahrheit“ (V. 18ff.) – und wie reagiert die Gemeinde konstruktiv darauf?
  4. Wie vertiefen 1. Kor 1,18–25, Gal 1,6–10 und Phil 2 das Verständnis von Römer 1?
  5. Welche konkreten Schritte helfen Ihnen in dieser Woche, „sich des Evangeliums nicht zu schämen“ (Röm 1,16) – im Reden und im Tun?